Atreus ROUNDTABLE DIGITAL: SALES
CHANCEN, INNOVATIONEN UND AKTUELLE UMSATZPOTENZIALE IM VERTRIEB
Unternehmen finden sich in einer Welt sich ständig verändernder Kunden- und Nachfrageverhalten und neuen Möglichkeiten wieder. Neue Vertriebs- und Geschäftsmodelle bilden sich heraus, mehrstufige Vertriebskanäle, Omnichannel, ein in der FMCG-Industrie gängiges Konzept, findet nun auch in der Investitionsgüter-Industrie mehr und mehr Eingang. Gleichzeitig tritt die Plattformökonomie immer stärker in den Vordergrund.
In diesem dynamischen Umfeld ist der zukunftsorientierte Vertrieb von entscheidender Bedeutung. Ein bemerkenswertes Beispiel für diese Veränderungen ist die Integration der nächsten Generation sowohl in unsere Kundschaft als auch in unsere Belegschaft. Diese Entwicklung bringt frische Ideen und neue Perspektiven in den Vertriebsprozess. Doch welche Möglichkeiten und Chancen ergeben sich für den zukünftigen, kundenorientierten Vertrieb?




VERTRIEBSSTRATEGIEN IM SPANNUNGSFELD
Es herrscht Polykrise, Unternehmen müssen ihr Geld zusammenhalten. Gleichzeitig verändern KI und die digitale Revolution Marketing und Vertrieb fundamental; der Wettbewerbsdruck bleibt groß. Was bedeutet dieses Spannungsfeld für Sales-Organisationen? Darüber diskutierten die Atreus Direktoren Jessica Breuer und Patrick Julius beim Atreus Digital Roundtable Sales mit Vertriebsexperten.
Die wichtigsten Erkenntnisse in acht Thesen:

1. In Zeiten der Polykrise gilt für den Vertrieb: Klug investieren statt Kosten drücken.
Rezession, Kostendruck, sinkende Auftragseingänge, internationale Krisen und dazu auch noch die KI-Revolution: Viele Unternehmen fragen sich aktuell, ob sie eher Kosten senken oder gerade jetzt investieren sollten. Geht es nach egeplast-Geschäftsführer Steffen Saur, stehen die Zeichen klar auf Investition: „Gerade jetzt gilt es, wichtige Hausaufgaben zu erledigen, um voll durchstarten zu können, wenn es wirtschaftlich wieder besser läuft.“ Dazu zählen laut Saur Investitionen in Prozesse, Systeme, Mitarbeiter und M&A. Die Teilnehmenden des Roundtable teilen diese Einschätzung: 82 % halten Investitionen jetzt für sinnvoller als eine Kostenbremse, die nur von 18 % befürwortet wird. Für „Revolution statt Reduktion“ plädiert auch Atreus Manager Martin Engels: „Vertrieb ist im Moment extrem wichtig.“
2. „Wachstum und Profitabilität beginnen in der obersten Zeile der GuV“,
zitiert Vertriebsexperte Saur eine alte Weisheit. Man könne nur begrenzt „Besprechungskekse und Bleistifte“ einsparen. Doch die Unternehmen stehen gerade in der Krise im Spannungsfeld zwischen Finanz- und Vertriebsverantwortung (also z. B. CFO und CSO): Einerseits gilt es, finanzielle Risiken zu managen und das Unternehmen profitabel zu halten; andererseits muss der Vertrieb Wachstumschancen identifizieren und realisieren – also etwa den Kontakt zu Bestandskunden halten, gute Mitarbeitende binden und auch in der Rezession Marktanteile ausbauen. Saur fordert hier einen Schulterschluss zwischen Finanz- und Vertriebschefs: „Alle müssen an einem Strang ziehen und in eine Richtung laufen.“
3. JETZT IST DIE ZEIT, UM WICHTIGE HAUSAUFGABEN IM VERTRIEB ZU MACHEN.
Saur rät Vertriebschefs dazu, jetzt nicht die Hände in den Schoß zu legen, sondern unrealisierte Potenziale zu heben – etwa die Sales-Teams konsequent auf enge Arbeit am Kunden zu trimmen, administrative Prozesse zu verschlanken, Leads zielgerichteter und digitaler zu managen, Datengold zu heben oder profitable Nischen zu besetzen. Auch fürs Recruiting böten sich aktuell gute Chancen: „In Zeiten kritischer Märkte sind viele Talente ansprechbar. Sie sind vielleicht nicht günstig, bringen dafür aber vielleicht sogar Kunden mit.“ Das könne beispielsweise weniger kosten als die Übernahme eines anderen Unternehmens. Gerade etablierte Firmen, so Saur, sollten zudem ihren „unfair advantage“ ausspielen, also ihre Kundenbasis, ihre Historie oder ein laufendes Produktionswerk.
4. MENSCHEN KAUFEN IMMER NOCH VON MENSCHEN – UND DAS ERFORDERT ANPASSUNGEN IN DER UNTERNEHMENSKULTUR.
„Ersetzt KI uns alle, zumindest aber den Vertrieb?“ Atreus Manager Dr. Benjamin Klitzke beantwortet diese Frage mit einem klaren Nein: „KI wird uns erweitern – aber nur, wenn wir unsere Kompetenzen entsprechend ausbauen.“ Etwa in der Kundenbindung, sagt Steffen Saur: „Menschen kaufen immer noch oft von Menschen.“ Klitzke ergänzt: „Kundenorientierung wird auch in Zukunft erfolgskritisch bleiben.“ Unternehmen müssen zudem alles daransetzen, gute Mitarbeitende zu halten. Nicht einfach in Zeiten, in denen die Babyboomer in Rente gehen und jüngere Generationen auf den Markt drängen, die der Dienstwagen kaum noch lockt. Wie Saur beobachtet, gibt es aber immer noch viele junge Leute, die Bock auf Vertrieb haben. Zudem trifft der alte Satz „Einmal Vertrieb, immer Vertrieb“ nach Beobachtung von Martin Engels so nicht mehr zu. Übrigens: Auch auf Kundenseite muss man den Generationswechsel ernstnehmen, der sich zum Beispiel in anderem, digitalerem Kommunikationsverhalten zeigt.
5. Das CRM-System muss Single Source of Truth sein.
Um einen vertrieblichen Evolutionsprozess in Gang zu bringen, empfiehlt Benjamin Klitzke Vertriebsteams, zunächst die Grundlagen zu schaffen. Erstens: eine granulare Segmentierung der Kundenbasis, um deren Bedürfnisse und Pain Points so individuell wie möglich zu verstehen. Und zweitens: standardisierte Prozesse und die Steuerung des Vertriebs mithilfe eines CRM-Systems als „Single Source of Truth“. „Wenn Sie diese Basics fixen, sind Sie schon ganz vorn mit dabei“, sagt Klitzke. Erst wenn man Vertriebsexzellenz hergestellt habe, könne man über ein professionelles Lifecycle Management nachdenken. Ein solches System stellt engmaschig sicher, dass der Kunde mithilfe des Produkts oder Service jederzeit Mehrwert generieren kann und nicht abspringt. Und erst im letzten Schritt, so Klitzke, könne man sich Data-Driven Automation und Flow Management zuwenden – also Rohdaten aus Telematik, CRM oder Marketing in Insights übersetzen und daraus ereignisbasierte Aktivitäten und Flows ableiten.

6. Datengestütztes Guided Selling und KI sind künftig unverzichtbar, um Vertriebsexzellenz sicherzustellen.
Klitzke hat selbst extrem gute Erfahrungen mit Guided Selling gemacht. Das sind App-gestützte Verkaufsprozesse, mit denen man dem Kunden auf Basis von Daten aufzeigen kann, wie hoch der Value Add für ihn über den Lebenszyklus ausfällt. Klitzke berichtet auch von einer Health Check Engine, die vorhersehen kann, welche Kunden mit welcher Wahrscheinlichkeit bald abspringen werden. Daraus könne man automatisierte Flows bauen, um frühzeitig zu intervenieren. Martin Engels beobachtet zudem, dass sich Vertriebsprozesse im B2B- und B2C-Geschäft immer weiter annähern, etwa mit Blick auf die Nutzung von KI. Eindeutige Best Practices sieht Engels hier aktuell aber noch nicht: „Mit Google AdWords kann ich den Sales Funnel komplett analysieren, der Kunde ist gläsern.“ Im B2B-Umfeld sei das schwieriger, Sales-Teams sollten einen agilen Lernprozess starten.
7. Sales, Marketing und Technik sollten maximal eng zusammenarbeiten – idealerweise mit dem Service-Team,
findet Benjamin Klitzke. Nur so ließen sich die Pain Points des Kunden in die Kundenreise integrieren. Atreus Manager Engels geht noch einen Schritt weiter: „Der Kunde weiß oft selbst am besten, was er will. Was spricht also dagegen, ihn hier auch einzubinden?“ Engels beobachtet, dass Organisationsstruktur, Know-how und Zusammenarbeit von Sales und Marketing vielerorts Effizienz im Sales-Prozess verhindern. Das sei besonders im komplexen B2B-Umfeld ein Problem. Denn anders als im B2C-Geschäft laufen Kaufentscheidungen dort multidimensional und nicht-linear ab, werden zudem von mehreren Personen getroffen. „Die Strategien von Sales und Marketing müssen zusammenpassen, was Timing und Tools angeht“, sagt Engels: „Wie wirken sich digitale Sales oder Marketing auf das klassische ‚analoge‘ Geschäft aus? Wie profitiert der Vertrieb von den Marketing-Aktivitäten auf LinkedIn?“ Unternehmen müssten in entsprechendes Know-how investieren, und auch der CEO müsse an Bord sein.
8. Digitales Servicegeschäft ist langfristig unverzichtbar, aber oft fehlt es noch an Sales Readiness.
Dr.-Ing. Arno Kühn ist Bereichsleiter am Fraunhofer IEM. Er beobachtet, dass viele Mittelständler produktseitig und technisch alle Voraussetzungen haben, um ihr Produktportfolio um digitale Services zu erweitern und so neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Es fehle aber an (Digital) Sales Readiness. Kühn konstatiert vor allem Handlungsbedarf in der digitalen Transformation der dahinterliegenden Prozessorganisation. Eine Blitzumfrage unter den Teilnehmenden des Roundtable unterstreicht dies: 60 % sagen, ihr Unternehmen stehe hier noch „ganz am Anfang“. Kühn sieht drei wichtige Handlungsfelder: Erstens sollten Produkte wie eine Maschine „per default“ mit Connectivity ausgestattet sein – auch wenn man selbst noch nicht wisse, wofür man die Daten später einmal nutzen könne. Zweitens empfiehlt er, die Schnittstellen zum Kunden durchgängig digital auszurichten. Und drittens brauche es nutzergerechte Preise und Bezahlmodelle statt der jährlichen SEPA-Überweisung. „Vertrieb und Service müssen sich komplett verändern“, sagt Kühn und nennt als Positivbeispiel Heidelberger Druck.

